“Nein, das ist doch nicht möglich!” – “Dirk, echt jetzt?” – “Ich fasse es nicht!”

Meine Gäste starrten mich fassungslos an. Diese Weinverkostung sollten sie nicht so schnell vergessen.

Es hatte so unverdächtig angefangen: Zur ersten Verkostungsrunde gab es Weißwein mit einem Formular, auf dem die wahrgenommenen Aromen markiert werden sollten. Die Auswertung ergab erwartbare Weißwein-Prosa: Fruchtig, Anklänge von Apfel, im Abgang Zitrone mit Kräuteraromen…

In der zweiten Runde teilte ich einen bereits dekantierten (da hätte man Verdacht schöpfen können) Rotwein aus. Auch hier typische Eindrücke: Eleganz, beerig, vollmundig, rund, im Abgang pfeffrig…

Was aber keiner ahnte: ich hatte diskret in der Küche den zuvor probierten Weißwein mit roter Lebensmittelfarbe zu einem Rotwein verwandelt: “Liebe Gäste” rief ich vergnügt, “was ihr so völlig verschieden geschmeckt habt, war tatsächlich ein und derselbe (Weiß-) Wein – nur rot eingefärbt.” Bähm.

Verwandlungsnummer Abendmahlsfeier

Die Idee mit der Schummelweinverkostung ist nicht neu. Es soll ein Weinjournalist bekannte Sommeliers eingeladen haben – und sie irrten sich ebenso gründlich. Meine Gästerunde nahm es mit Humor. Was aus den Sommeliers wurde, ist nicht überliefert.

Abendmahl Eucharistie Wandlung ErklärungIn den 90ern machte der Künstler David Copperfield Furore. Auf seiner Tournee durch Deutschland saß auch ich im Publikum. Und er verwandelte so ziemlich alles was nicht bei drei auf’m Baum war. Oder ließ Dinge gleich ganz verschwinden. Apropos: Ist der Eisenbahnwaggon eigentlich je wieder aufgetaucht?

Copperfield gilt bis heute als einer der größten Magier und Illusionskünstler. Aber die wirklich ganz große Nummer gab es nie bei Copperfield. Die wirklich ultimative “Verwandlungsnummer” ist die christliche Abendmahlsfeier, im Katholischen “Eucharistie” genannt: Brot und Wein werden zu Fleisch und Blut Jesu Christi verwandelt. Copperfield müsste vor Neid erblassen.

“Dann brach er das Brot, reichte es den Jüngern und sagte: Nehmt und esst; das ist mein Leib. (…) das ist mein Blut (…).” – Mt 26,26-29 EÜ

Bis heute teilen diese Sätze Jesu vom letzten Abendmahl die Christenheit in zwei Lager: die einen verstehen es als reines Gedächnismahl. Die anderen begreifen es auch als Wandlung zur realen Gegenwart Jesu (“Realpräsenz”).

Was ist für Dich das christliche Abendmahl?

Hokuspokus mit labbriger Oblate

Ich habe lange mit der Vorstellung gehadert, dass mir in Brot oder einer labbrigen Oblate und mittelmäßigem Wein Gottes Menschwerdung begegnet. Nach allem, was meine Sinnesorgane stets meldeten, war das noch immer nur Brot (oder Oblate) und Wein. Wozu der ganze Hokuspokus (das Wort leitet sich tatsächlich von den lt. Einsetzungsworten “hoc est corpus”, dt. “dies ist mein Leib” ab)?

Meine Schummelweinverkostung hat eindringlich gezeigt, wie leicht sich unsere Sinne bei Wein täuschen lassen. Wer kann ausschließen, dass das Dir und mir nicht noch in ganz anderen Situationen passiert? Ich halte es für durchaus möglich, dass wir uns auch beim christlichen Abendmahl von den Sinneseindrücken zu Brot und Wein täuschen lassen können – und uns dabei deren Wesenswandlung zu Leib Christi entgeht (theol. Fachbegriff ist “Transsubstantiation“).

Superhirn aus dem Hochmittelalter

Schon die frühen Christen gingen von einer Wandlung aus. Nix mit Verschwörung der (katholischen) Kirche, wie man sie ihr gerne und oft unterstellt. Nein, die Kirche rang selbst mit Erklärungen. Bis ihr im 13. Jhd. ein äußerst gescheiter Kopf namens Thomas von Aquin zur Seite sprang, dessen Überlegungen mir und vielen anderen Christen auf die Sprünge geholfen haben.

“Nein! – Doch! – Ohhh!” – Louis de Funès

Vereinfacht gesagt geht Thomas davon aus, dass die Dinge der Welt auf Ideen beruhen (Anm. für die Experten: ja, er nennt es “Substanzen”, aber der aristotelische Substanzbegriff seiner Zeit ist gänzlich anders als unser heutiger, daher ziehe ich Platons Begriff der “Ideen” vor), denen nicht-wesenhafte Eigenschaften (“Akzidenzien”) anhaften.

Schau mal: Die Idee, das Wesen von z.B. “Wein” lässt sich umschreiben als “fermentierter Fruchtsaft”. Diese Umschreibung trifft auf alle Weine dieser Welt zu. Nun gibt es

  • weißen, rosa, roten Wein.
  • Sauren und süßen.
  • Französischen und italienischen.

Das sind nicht-wesenhafte Eigenschaften, deren Änderung nichts an der Idee “Wein” ändern – wohl aber in einer Schummelweinverkostung täuschen und amüsieren können. Probiere es mal selbst mit Gästen aus!

Größter Magier aller Zeiten

Thomas meint nun, dass Brot und Wein in der eucharistischen Wandlung zwar ihre brot- und weintypischen Eigenschaften wie Geruch, Konsistenz, Geschmack und Farbe behalten, aber durch Gottes Wirken die Idee von “Brot” und “Wein” von der Idee “Jesus Christus” als Gottes Menschwerdung abgelöst wurde. Unsere Sinnesorgane erfassen Brot und Wein zwar noch immer als Brot und Wein, aber im Wesen, d.h. ihrer Idee sind sie nicht mehr “brotig” und “weinig”, sondern “jesuig”. Das zu erfassen vermag der Gläubige nur durch den Heiligen Geist.

Mag sein, dass Du jetzt wie einst meine Gäste rufst:

“Nein, das ist doch nicht möglich!” – “Dirk, echt jetzt?” – “Ich fasse es nicht!”

Ich kann es Dir nicht verdenken. Der Jude (!) Copperfield würde jedenfalls cool bleiben und nicken. Als er mal gefragt wurde, wer denn der größte Magier aller Zeiten sei, lautete seine Antwort: “Jesus Christus.”

Eingrooven zum größten Geheimnis

Die Eucharistie gilt nicht ohne Grund als das Sakrament der Sakramente. Von leicht verständlich war nie die Rede. Mein Tipp: Gib nicht auf. Lass Dich eingrooven zum größten Geheimnis des christlichen Glaubens über eine zunächst mehr verstandeskonforme Annäherung. In allem Anfang liegt bekanntlich ein Zauber.

Gute Einstiege, bei denen wir die trügerische Welt der Sinne und Thomas von Aquin näher kennen- und schätzen lernen, sind der “Abend der Wahrheit” und “Abend der Einheit”.

Foto: Playground AI

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